Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Kreisverband Erlangen e. V.

Erlangen weiter fahrradfreundlich - Stadt bleibt aber unter ihren Möglichkeiten

Die Stadt Erlangen muss mehr tun, damit sie auch in sieben Jahren wieder als "Fahrradfreundliche Kommune" ausgezeichnet wird.

AGFK Auszeichnungsveranstaltung
Auszeichnung als “Fahrradfreundliche Kommune in Bayern” © © AGFK Bayern, Fotograf: Tobias Hase

Heute wurde der Stadt Erlangen erneut der Titel “Fahrradfreundliche Kommune” verliehen. Die “Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen in Bayern” (AGFK) hat die Fahrradfreundlichkeit der Stadt zwar nach einer Prüfungsrundfahrt, der sogenannten Bereisung, am 12.10.2022 bestätigt, sie hat der Stadtverwaltung jedoch wieder wichtige “Hausaufgaben” aufgegeben.

Die AGFK Bayern ist ein Netzwerk bayerischer Kommunen, das 2012 ins Leben gerufen wurde. Inzwischen ist der Verein auf über 90 Städte, Gemeinden und Landkreise angewachsen, die sich die systematische Förderung des Radverkehrs zum Ziel gesetzt haben.

Seit der sog. Hauptbereisung im Jahre 2015 gilt die Stadt Erlangen, selbst Gründungsmitglied der AGFK, offiziell als “Fahrradfreundliche Kommune”. Von der AGFK wird allerdings erwartet, dass sich die Stadt stetig im Sinne der Fahrradfreundlichkeit weiter bemüht und auch entwickelt, was alle sieben Jahre bei einer Rezertifizierung überprüft wird.

Bereits während der Hauptbereisung hatte die AGFK den Verantwortlichen in Erlangen einige Punkte zur Nachbesserung aufgegeben:

  • Flächendeckende Wegweisung nach FGSV-Standard
  • Abstellsituation am Bahnhof verbessern
  • Abstellanlagen im Stadtgebiet nach und nach modernisieren
  • Winterdienst in Fahrradstraßen
  • Verbesserung des Baustellenmanagements insb. bei der Überwachung
  • Internetauftritt weiter verbessern
  • Bei ortsansässigen Unternehmen für Zertifizierung als „Fahrradfreundlicher Betrieb“ werben
  • Transparente Darstellung der Pro-Kopf-Ausgaben für den Radverkehr
  • Steigerung des Radverkehrsanteils bis 2020 um 3-5 Prozentpunkte (gemäß Grundsatzbeschluss zur Förderung des Radverkehrs in der Stadt Erlangen vom 26.02.2015; Basis waren die Zahlen des Verkehrsmodells aus dem Jahr 2010 mit Binnenverkehrsanteil von 28,4 % und stadtgrenzüberschreitenden Verkehr von 20,9 %)

Positiv hervorzuheben ist, dass die Stadt Erlangen selbst als „Fahrradfreundlicher Arbeitgeber“ zertifiziert wurde und versucht, auch weitere ortsansässige Arbeitgeber*innen dafür zu gewinnen. Der städtische Bautrupp wurde aufgestockt, um kleinere Maßnahmen schneller umsetzen zu können. Die Anzahl der Abstellanlagen im Stadtgebiet wurde erhöht, alte Vorderradklemmen werden nach und nach ersetzt und Schrotträder regelmäßig entfernt. Im Rahmen des “1.000 Bügel Programms” konnten Bürgerinnen und Bürger Standortvorschläge machen, die nun abgearbeitet werden. Es wurden auch die ersten Abstellanlagen für Lastenräder geschaffen. Der private Kauf von Lastenrädern wird bezuschusst und der städtische Lastenradverleih stetig ausgebaut. In 2022 startete außerdem das erste Fahrradverleihsystem in Erlangen. Der Winterdienstplan für den Radverkehr wird jährlich abgestimmt und auf der Homepage der Stadt veröffentlicht. Die meisten Fahrradstraßen wurden darin aufgenommen und werden geräumt.

2019 wurde ein Qualitätsstandard zur einheitlichen Gestaltung von Fahrradstraßen beschlossen, nach dem die Fahrradstraßen schrittweise umgestaltet werden. Leider sind die darin vorgesehenen roten Seitenmarkierungen zum großen Teil schon wieder verblasst oder gar nicht mehr sichtbar. Nach Kritik der Polizei Erlangen werden die Seitenmarkierungen aktuell gar nicht mehr aufgetragen, was der ADFC Erlangen scharf kritisiert, stellen sie doch ein wichtiges Gestaltungselement dar, durch das sich Fahrradstraßen von normalen Nebenstraßen optisch unterscheiden. Die Webseite der Stadt wurde zwar nach und nach verbessert, hat aber durch das letzte große Update in 2022 wieder einen Schritt zurück gemacht.

Leider wurden nicht alle Punkte bis zur Rezertifizierung am 12.10.2022 erfolgreich abgearbeitet. So wurde die wegweisende Beschilderung für den Radverkehr (nach FGSV-Standard) nur teilweise erneuert. Im Rahmen des Austausches der Beschilderung wurde auf neuen Wegweisern zum Teil aber an der alten Nummerierung von Routen festgehalten. Damit ist die Wegweisung für Auswärtige weiterhin nutzlos, da sie die Bedeutung der Nummern nicht kennen. Zudem bestehen bei der vorhandenen Wegweisung immer wieder Lücken.

Am Bahnhof wurden zwar neue Fahrradbügel und Doppelstock-Fahrradparksysteme installiert, die Gesamtmenge der verfügbaren Abstellmöglichkeiten deckt aber bei weitem noch nicht den Bedarf. Des Weiteren sind viele Abstellanlagen nicht wettergeschützt und die Doppelstockparker teilweise schwierig zu bedienen. Dies hat zur Folge, dass weiterhin sehr viele Fahrräder wild abgestellt werden. Die Kontrolle und Ahndung durch die Stadt ist stark verbesserungsfähig.

Seit Jahren fordert der ADFC Erlangen deshalb ein echtes Fahrradparkhaus mit direktem Zugang zu den Gleisen. Nicht nachvollziehbar ist daher die im Januar im Stadtrat gefällte Entscheidung, den Bau weiterer dringend benötigter Abstellanlagen an Gleis 1 bis ins Jahr 2027 zu verschieben, obwohl diese eigentlich bereits 2018 hätten installiert werden sollen.

Auch das Baustellenmanagement ist nach wie vor ausbaufähig. Selbst wenn auf eklatante Gefahren für Radfahrende durch falsche Baustellenbeschilderung hingewiesen wird, werden diese z.T. wochenlang nicht behoben. Eine transparente Darstellung der Pro-Kopf-Ausgaben für den Radverkehr erfolgt weiterhin nicht. Ob der Radverkehrsanteil zwischen 2015 und 2020 wie anvisiert um 3-5%-Punkte erhöht wurde, konnte die Stadt auf Nachfrage des ADFC Erlangen nicht beantworten.

Des Weiteren kritisierte der ADFC Erlangen im Rahmen der Rezertifizierung die Zusammenarbeit mit der Stadt in der AG Radverkehr. Tagesordnungspunkte werden zu langsam abgearbeitet und zugesagte Maßnahmen häufig erst zu spät oder zum Teil gar nicht umgesetzt. So wurden z.B. immer noch keine Grünpfeile für Radfahrende installiert, obwohl über zwei Jahre seit der Novellierung der StVO vergangen sind und Standortvorschläge durch den ADFC eingereicht wurden.

Die Umsetzung des “Zukunftsplan Fahrradstadt” gestaltet sich ebenfalls schwierig, da zum einen Personal fehlt und zum anderen benötigte Finanzmittel nicht bereitgestellt werden. Dies hat zur Folge, dass in den letzten zwei Jahren viele zugesagte Umbaumaßnahmen und Konzepte nicht umgesetzt werden konnten.

Außerdem sollte eigentlich alle zwei bis drei Jahre ein Radler-Hearing zum Austausch der Stadt mit Radfahrenden stattfinden, doch das letzte fand im Herbst 2016 statt.

Die AGFK zeichnet die Stadt Erlangen nun zwar als “Fahrradfreundliche Kommune” aus, teilt aber auch die Kritik des ADFC und gibt der Stadt eine Liste an neuen Hausaufgaben auf.

So soll die Kommunikation mit Bürgerinnen und Verbänden verbessert werden, indem u.a. mehr Transparenz durch einen modernen Mängelmelder mit Anzeige des Bearbeitungsstatus geschaffen und mehr Verbindlichkeit in die Zusammenarbeit gebracht wird. Die ambitionierten Ziele und Maßnahmen des Zukunftsplans sollen mit finanziellen und personellen Ressourcen hinterlegt werden, damit deren Umsetzung auch tatsächlich gelingt.

Besonders unangenehm ist für die Verantwortlichen der Stadt die Tatsache, dass die Bewertungskommission im 1. Quartal 2025 einen schriftlichen Sachstandsbericht zur Umsetzung der Maßnahmen aus dem Zukunftsplan Fahrradstadt erwartet. Diese Bitte, die von der AGFK Bayern nur selten an eine Kommune herangetragen wird, verdeutlicht, dass die Stadt Erlangen mehr tun muss, damit sie auch in sieben Jahren wieder als "Fahrradfreundliche Kommune" ausgezeichnet wird.


https://erlangen.adfc.de/neuigkeit/agfk-auszeichnung

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