Zukunftsplan Fahrradstadt - Enttäuschende Zwischenbilanz
ADFC und Initiative Radentscheid Erlangen erhoffen neuen Schwung durch Bayern-Volksentscheid
"Erlangen, tritt in die Pedale!" hieß das Motto der Initiative "Radentscheid Erlangen" während ihres Bürgerbegehrens. Zwei Jahre nach dem gemeinsam mit der Stadtverwaltung erarbeiteten Beschluss des "Zukunftsplan Fahrradstadt" fällt die Bilanz des ADFC Erlangen enttäuschend aus. Auch deshalb wird die für nächsten Mittwoch angekündigte Entscheidung des Bay. Verfassungsgerichtshofs über die Zulässigkeit des gleichnamigen und vom Radentscheid Erlangen mitinitiierten Volksbegehrens für sicheren Radverkehr mit Spannung erwartet.
Im Moment konstatiert Chloé Heusel vom ADFC Erlangen: “Der Stadt ist bei der Umsetzung des Zukunftsplans Fahrradstadt die Luft ausgegangen. Eine herbe Enttäuschung für die ehrenamtlichen Aktiven und die über 5.000 Erlangerinnen und Erlanger, die das Bürgerbegehren für eine Verbesserung der Radinfrastruktur unterzeichnet hatten. Durch ein erfolgreiches Volksbegehren würde der Bau von Radschnellwegen deutlich schneller gehen und Abstellanlagen an Knotenpunkten des ÖPNV könnten massiv ausgebaut werden. Bei allen Umbau- und Sanierungsmaßnahmen der Straßen müsste zudem die Verbesserung des Radverkehrs geprüft werden und die Mobilität der Schüler:innen in den Mittelpunkt rücken.”
Finanzen & Personal in Erlangen
Die Radverkehrsexpert:innen beklagen, dass sie nicht einmal den für Ende April versprochenen jährlichen Tätigkeitsbericht der Stadt erhalten haben. In ihrem eigenen Zwischenbericht nennen die Aktiven des ADFC zahlreiche Beispiele, wo die Stadt hinter ihren selbst gesetzten Zielen zurückbleibt. So fallen die zugesagten Investitionen in den Radverkehr mit dem im Januar verabschiedeten Haushalt von zugesagten 4 Mio € pro Jahr auf das Niveau vor Beschluss des Zukunftsplan Fahrradstadt zurück. Im Jahr 2022 wurde nach eigenen Berechnungen zudem nur knapp die Hälfte der für den Radverkehr eingeplanten Mittel ausgegeben. Stellen wurden teilweise nicht geschaffen und teilweise nicht besetzt.
“Es ist also kein Wunder, dass die Verwaltung ihre selbst gesteckten Ziele nicht erreichen konnte. Bereits 2021 und 2022 wurden etliche Maßnahmen zwar versprochen, aber letztendlich nicht umgesetzt.”, so Heusels Vorstandskollege Harald Bußmann.
Konkrete Versäumnisse in Erlangen
Ein weiteres prominentes Beispiel für “Versprochen, aber nicht eingehalten” ist die Abstellanlage am Bahnhof. Ursprünglich für 2018 vorgesehen, wurde der Bau im Zukunftsplan Fahrradstadt Erlangen für 2021 zugesagt. Im Rahmen der diesjährigen Haushaltsverhandlungen wurde der Bau dann aber erneut um mehrere Jahre verschoben. Auch die politisch bereits geplante Überquerungshilfe über den Herzogenauracher Damm wurde letztes Jahr im Rahmen der Sanierungsmaßnahmen nicht umgesetzt. Der Umgang der politisch Verantwortlichen in Erlangen, aber auch der bayerischen Staatsregierung, mit zivilgesellschaftlichem Engagement ist nach Meinung der ehrenamtlich tätigen ADFCler:innen ignorant und fördert nur weiter die Politikverdrossenheit.
Fehlender Fokus auf Schulwegsicherheit
Dass nicht einmal Maßnahmen, die der Sicherheit von Kindern dienen, realisiert wurden, stößt beim ADFC auf komplettes Unverständnis. So wurde das in vielen anderen Städten bereits bewährte Mittel von Schulstraßen nur als Pilotprojekt angelegt und zuletzt von 2022 auf 2024 verschoben. Hier hätte mit einfachen Mitteln getestet werden können, welchen Zugewinn an Sicherheit temporäre Straßensperrungen in der Nähe von Schulen bringen. Ohne PKW-Verkehr vor der Schule können auch jüngere Kinder sicher und selbstständig ihren Schulweg auf dem Rad oder zu Fuß zurücklegen, ohne auf die Eltern angewiesen zu sein.
Klaus Helgert, Vorsitzender des ADFC Erlangen: “Die schwächsten Verkehrsteilnehmer:innen, also Zufußgehende und Radfahrende zu schützen, muss Priorität haben. Eine mehrwöchige Schwerpunktaktion gegen unerlaubtes Halten und Parken auf Geh- und Radwegen darf nicht im Planungsstadium steckenbleiben. Auch die Überwachung von Verkehrsverstößen wie Geisterradeln oder Radeln ohne Licht könnte ohne großen Aufwand intensiviert werden.”
Hoffen auf das Volksbegehren Radentscheid Bayern
Die Initiative Radentscheid Erlangen und der ADFC Erlangen appellieren an Politik und Stadtverwaltung, endlich Wort zu halten und in den kommenden Jahren wieder Tempo in der Umsetzung der zugesagten Maßnahmen aufzunehmen. Große Hoffnung setzen die Aktiven daher in den Radentscheid Bayern, ein Volksbegehren auf Landesebene. Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs wird festlegen, wie das Verfahren weitergeht, ob es also tatsächlich zum Volksentscheid kommen wird. Paulus Guter vom Radentscheid Erlangen und einer der Initiatoren des Volksbegehrens: “Wir sind sehr zuversichtlich, dass das Gericht in unserem Sinne entscheidet, denn wir haben alle Regularien für Volksbegehren gekannt und eingehalten. Wir rechnen damit, dass die zweiwöchige Eintragungsfrist im September stattfinden wird. Bayernweit müssen dann knapp 1 Mio. Bürgerinnen und Bürger in den Rathäusern unterschreiben. Das Volksbegehren wird die Kommunen beim Ausbau der Radinfrastruktur unterstützen und entlasten.” Weitere Informationen zum Volksbegehren Radentscheid Bayern finden Sie auf radentscheid-bayern.de
Anhang:
Auszug aus Maßnahmen, die festgelegt, aber nicht umgesetzt wurden:
- Erarbeitung von Grundsätzen für die Modernisierung bzw. den Ausbau von Knotenpunkten (2021)
- Schulstraße Pilotprojekt Ziel 2022, verschoben auf 2024
- Ausweitung Kommunale Verkehrsüberwachung
- Erarbeitung einer Liste weiterer Fahrradstraßen (2021)
- Prüfung von Fahrradzonen (2021)
- Mehrwöchige Schwerpunktaktion über unerlaubtes Halten und Parken auf Geh- und Radwegen (in 2021)
- Verstärkte Überwachung von Verstößen wie “Geisterradeln” und “Fahren ohne Licht”: Hier sehen wir keine Fortschritte.
- Verbesserung der Führung für den Radverkehr bei Baustellen
- Monitoring (Sachstandsbericht): Es zeichnet sich ein wenig detaillierter Bericht ab, der nicht den Wünschen entspricht und immer verspätet erst erscheint.
- Programm zur Stärkung des Radverkehrs im schulischen Umfeld (2022) ist ein Papiertiger
- Leitfaden für Fahrradstraßen wird nicht mehr umgesetzt